Inklusionschart

Versionsgeschichte

Seit 2016

Die Version IC4 ist das Resultat eines komplexeren Prozesses der kontrollierten Erprobung und theoretischen Diskussion. Am Anfang standen Versuche, das Instrument für die Verwendung mit Personengruppen anzupassen, die aufgrund bestimmter Merkmale (zum Beispiel Alter oder Aufenthaltsstatus) von manchen Teilhabemöglichkeiten a priori ausgeschlossen sind. Es wurde von Arbeitsgruppen versucht, Spezialversionen für die stationäre geriatrische Versorgung, für Jugendliche oder für Asylwerber*innen zu erstellen. Diese Versuche gediehen unterschiedlich, zu einer vorläufigen und veröffentlichten Vollversion führten sie nur bei Flüchtlingen (Baron et al. 2015). Die dabei auftretenden praktischen und theoretischen Probleme waren jedoch Anlass, die Arbeit an einer grundlegenden Überarbeitung des Instruments zu beginnen. Dafür wurde ein Board1 eingesetzt, der vorerst die Konstruktion einer Version anstrebte, die Grundlagen für die Erstellung von zielgruppenspezifischen Versionen bei Aufrechterhaltung der Kompatibilität mit der allgemeinen Version formulieren sollte. Im Laufe der Diskussionen stellte sich jedoch heraus, dass das ein Weg wäre, der mehr Probleme generiert, als er zu lösen imstande ist. Man entschied sich für eine Überarbeitung des Instruments und dafür, zielgruppenspezifische Manuals und Ausfüllhilfen zu produzieren, die auf feldspezifische Fragen eingehen. 

Diesem Board gehören Personen aus dem Hochschulbereich und aus verschiedenen Praxisfeldern an. Kontinuierlich im Board mitgearbeitet haben Peter Pantuček-Eisenbacher und Eva Grigori (St. Pölten), Peter Lüdtke (Berlin), Angelika Neuer und Dunja Gharwal (Wien). Diese Personen können als die Autor*innen des IC4 gelten. Ein Dank gilt allerdings auch den zahlreichen Studierenden und Praktiker*innen der Sozialen Arbeit, die im Zuge von Bachelorarbeiten bzw. Erprobungen im Feld eine Fülle von Anwendungserfahrungen, Hinweisen und Vorschlägen eingebracht haben, ohne die das Projekt nicht den jetzigen Reifegrad erreichen hätte können.

Auf die Bereitstellung feldspezifischer Versionen wurde nach langer Diskussion verzichtet. In der Entwicklung ebensolcher stellte sich heraus, dass diese letztlich zu ähnlichen Ergebnissen kommen, die nun mit den Spalten der stellvertretenden sowie unterstützen Inklusion abgebildet werden sowie der neu hinzugefügten Zeile auf Achse 1 des „Rechtsstatus“.  Es wird jedoch empfohlen, feldspezifische Manuals herzustellen bzw. Ausfüllhilfen anzubieten. Hierzu bieten sich Testläufe und Workshops an, die das generalistische Manual mit spezialisierten Beispielen ergänzen.

Mit der nun vorliegenden 4. Version wird eine Antwort auf einige Anwendungsprobleme versucht:

Für Populationen, die aus bestimmten Funktionssystemen systematisch ausgeschlossen sind, stehen Systeme der „stellvertretenden Inklusion“ zu Verfügung, das sind Surrogate für die echte Inklusion. Diese stellvertretende Inklusion (z.B. sog. Ein-Euro-Jobs oder überbetriebliche Lehrwerkstätten), hat einen ambivalenten Charakter. Sie schafft einen separaten Sektor und ist daher Zeichen für Exklusion, kann beschämend sein und die soziale Adresse nachhaltig beschädigen. Andererseits kann sie auch (z.B. als Übergangsmodell) eine Hilfe zur späteren Inklusion oder eine akzeptable Alternative zu einer völligen gesellschaftlichen Isolation darstellen.

Mitunter ist das bestehende Ausmaß von Inklusion und damit die Möglichkeit des Zugangs zu den Leistungen eines Funktionssystems im gegebenen Ausmaß nur auf der Basis von Unterstützungsleistungen durch das Sozialsystem möglich – wie es bei früheren Versionen auf Achse 2 schon beim Niveau der Existenzsicherung abgebildet wurde.

Diesem Board gehören Personen aus dem Hochschulbereich und aus verschiedenen Praxisfeldern an. Kontinuierlich im Board mitgearbeitet haben Peter Pantuček-Eisenbacher und Eva Grigori (St. Pölten), Peter Lüdtke (Berlin), Angelika Neuer und Dunja Gharwal (Wien). Diese Personen können als die Autor*nnen des IC4 gelten. Ein Dank gilt allerdings auch den zahlreichen Studierenden und Praktiker*nnen der Sozialen Arbeit, die im Zuge von Bachelorarbeiten bzw. Erprobungen im Feld eine Fülle von Anwendungserfahrungen, Hinweisen und Vorschlägen eingebracht haben, ohne die das Projekt nicht den jetzigen Reifegrad erreichen hätte können.

Änderungen in der 4. Version des IC

2012 - 2016

2012 legte Peter Pantuček die dritte Version des Inklusionscharts vor. Die neue Version enthielt eine Reihe kleinerer Anpassungen, die Resultat eines Forschungs- und Entwicklungsprozesses waren, der 2010/11 an der FH St. Pölten in Zusammenarbeit mit einigen Praxisorganisationen stattfand. Unter der Leitung von Peter Pantuček und Sabine Sommer waren Sabine Grünzweil, Marlene Paul, Verena Rameseder und Corinna Sattler als Forscherinnen beteiligt. Das Team begleitete den Einsatz des Verfahrens in Organisationen der Suchthilfe, der Sachwalterschaft (entspricht in D: Betreuung) und einem Jugendamt, beobachtete Anwendungsprobleme und erarbeitete Lösungsvorschläge. In Laborinterviews wurde der Interviewverlauf beobachtet, aufgezeichnet und ausgewertet. Erstmals wurde der offene Einsatz in der Beratung empfohlen.
Für das gesamte Chart wurde die Nomenklatur überarbeitet. In Anlehnung an Klassifikationssysteme wird nun von 3 Achsen gesprochen, deren jede mehrere Dimensionen abbildet. Die wesentlichen Änderungen gegenüber der IC2 sowie Erläuterungen zur Handhabung sind im Manual nachzulesen. Peter und Kitty Luedke ergänzen 2013 die bestehenden Formulare durch ein Visualisierungstool (Beispiel siehe unten).

Beispiele

2009 - 2012

Nachdem die erste Version des Instruments in der Sozialarbeitspraxis interessiert aufgenommen wurde, dienten die Rückmeldungen als Ausgangspunkt einer umfangreichen Überarbeitung. 2009 wurde die neue, erweiterte Version IC2 veröffentlicht, die den Bedürfnissen der Praxis noch besser angepasst war.

Die Änderung besteht vor allem in der Erweiterung um einen zweiten und dritten Teil. Während der erste Teil Inklusion/Exklusion in gesellschaftliche Funktionssysteme kartiert, ist der zweite Teil bedürfnisorientiert. In ihm wird der derzeitige Stand der Existenzsicherung eingeschätzt. Damit reagiere ich auf die zahlreichen Rückmeldungen aus der Praxis, die v.a. das Fehlen der Dimension „Wohnen“ bemängelten. Im dritten Teil werden die personalen Bedingungen in den Blick genommen, also in einem weiten Sinne die körperliche/psychische Ausgangslage. 
In der ersten Version war das Instrument auf Fragen der Inklusion in Funktionssysteme beschränkt. Existenzielle Bedürfnisse wie z.B. „Wohnen“ waren dabei unberücksichtigt geblieben, weil die Befriedigung dieser Bedürfnisses auf sehr verschiedene Art erfolgen kann, z.B. durch den Kauf oder die Miete einer Wohnung auf dem freien Markt (dafür wären die Inklusion in die Funktionssysteme Arbeitsmarkt und Geldverkehr eine Voraussetzung), oder durch Substitute (Sozialwohnung, Heim). Die Entscheidung, Inklusion/Exklusion in gesellschaftliche Funktionssysteme als zentrale Unterscheidung für dieses Instrument zu wählen, wäre damit unterlaufen worden. Durch die Beifügung zweier Dimensionen können nun weitere für die Praxis der Sozialen Arbeit wichtige und interventionsbegründende Lebensbedingungen über das Instrument erfasst werden.
Die zweite Version akzeptiert, dass Soziale Arbeit nicht nur / nicht ausschließlich Fragen der Inklusion/Exklusion bearbeitet, sondern dass sie in ihrem Zugriff auf Möglichkeiten der Bereitstellung von Substituten für „normal“ via Inklusion zu erlangende „LebensMittel“ die Bereitstellung von Substituten über die Ressourcen des Sozialwesens organisiert. Insofern ist für sie nicht nur die Inklusion der KlientInnen in die Funktionssysteme interessant, sondern auch das Niveau der bedürfnisadäquaten Substitution. Folgerichtig muss bei Interventionsentscheidungen die Dimension der aktuellen Bedürfnisbefriedigung  mitbedacht werden. Anders formuliert: Wenn KlientInnen ihre Bedürfnisse über die Teilhabe an gesellschaftlichen Funktionssystemen befriedigen können, hat Soziale Arbeit nichts zu tun. Wenn sie das nicht können, dann gibt es immer noch verschiedene Niveaus der substituierten Befriedigung von Bedürfnissen, die nicht gleich gültig sind. Für die Begründung sozialarbeiterischer Interventionen muss also neben der Frage der Inklusion/Exklusion noch das Maß der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse herangezogen werden. Dies umso mehr, als die Existenzsicherung die Basis für die Möglichkeiten aktiver gesellschaftlicher Teilhabe der KlientInnen darstellt.

In seiner neuen Version vereint das Instrument die Dimensionen Inklusion/Exklusion mit der Dimension der existenziellen Bedürfnisse und der Dimension der im weitesten Sinne körperlichen Basis. Auch diese Fassung sollte von der Fachkraft allein ausgefüllt werden. Erstmal wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der offene Einsatz, also in Anwesenheit von KlientInnen, denkbar wäre, jedoch noch keinerlei Praxiserfahrungen hierzu bekannt waren. 

2005 - 2009

Ziel der 2005 veröffentlichten ersten Fassung des Inklusions-Charts war es, die wesentlichen Faktoren sozialer Einbindung und Sicherung in einer übersichtlichen Form zusammenzufassen, um Entscheidungen über Interventionen klarer treffen und nachvollziehbar machen zu können. Auf diese Weise wurde ein übersichtliches Instrument entwickelt, das konkrete Daten (Einkommen, Versicherungsstatus, Unterhaltsverpflichtungen etc.) mit Schlussfolgerungen und Interventionsentscheidungen verbindet. Die Chart zählt einige wichtige Funktionssysteme auf. Die Inklusion der KlientInnen wird auf einer 5-teiligen Skala anhand von Indizien beurteilt. Inklusion bezieht sich hier einerseits auf die Mechanik des Systems, andererseits auf die subjektiven Bedingungen der Person. Die Auswahl der Funktionssysteme erfolgte pragmatisch. Zwei wurden bewusst nicht in das Chart aufgenommen: Wohnen und das Sozialsystem. In späteren Fassungen fanden hier Veränderungen statt.
Neben der Einschätzung der derzeitigen faktischen Inklusion wird in einer eigenen Spalte die Tendenz festgehalten – dies wurde in allen späteren Fassungen beibehalten. In kompakter Form kann so die Dynamik des Prozesses erfasst werden, was ein weiteres Indiz für die Dringlichkeit/Möglichkeit unterstützender Interventionen ist. Die Kennzeichen-Spalte dient der Explizierung der Einschätzung. Hier sind vor allem die Indizien/Fakten festzuhalten, die zur Einstufung auf der 5-teiligen Skala geführt haben. Die Analyse sollte schließlich zu einem begründeten Interventionsdesign führen. Die Maßnahmen-Spalte gibt dazu Gelegenheit, Interventionen, die aus der Analyse entwickelt wurden, zu explizieren.
Diese erste Fassung des IC sah noch keine kooperative Diagnostik vor, das heißt, sie wurde von der Fachkraft allein ausgefüllt.

Diskussion: Das Instrument dient zur Analyse der Inklusionsmöglichkeiten in die umfassenderen gesellschaftlichen Funktionssysteme. Es ist nicht geeignet, Probleme bei der Absicherung basaler Bedürfnisse darzustellen, die bei weitgehender Exklusion auftreten. Zum Beispiel traten bei der Anwendung des Rasters auf Fälle niedrigschwelliger Einrichtungen für KonsumentInnen illegaler Suchtmittel Probleme auf, weil außer der Feststellung des weitgehenden Ausschlusses aus nahezu allen hier angeführten Systemen die drängendsten Probleme innerhalb des Rasters nicht dargestellt werden konnten, z.B. die Suche nach einer Unterkunft und die Aufrechterhaltung einer minimalen körperlichen Hygiene.
Offensichtlich ist das Instrument IC in der Lage, den Ausschluss von Personen aus den wichtigsten gesellschaftlichen Funktionssystemen darzustellen (und ev. Ansätze für Chancen der Inklusion zu finden). Nicht aber kann es Lebensbedingungen beschreiben, die sich außerhalb dieser Systeme formieren. Das fokussiert den Einsatz des Instruments auf Beratungs-/Unterstützungsprozesse mittlerer Dauer und macht ihn bei KlientInnen produktiver, bei denen zumindest nennenswerte Reste von Inklusion feststellbar sind.